„Marte Meo“
aus:Die Glocke (gl). – Ostbevern
„Sehr gut!“ Stefan Hunfeld stoppt das Video, das sich die Ausbildungsgruppe ansieht. Man hat gerade Max gesehen, der mit einem anderen Kind ein Gesellschaftsspiel am Tisch spielt und es vor Aufregung kaum aushält. Eine Erzieherin sitzt daneben. Max und sie schauen gespannt, was der andere Junge als nächstes würfelt. Ein schönes Bild.
Vor ein paar Monaten hätte es das nicht gegeben, weil Max unruhig und explosiv war. Andere Kinder wollten nicht gern mit ihm spielen, und wenn es dann doch dazu kam, hielt Max es selten bis zum Ende aus. Meist flogen die Spielsteine schon vorher durch den Raum. Warum gelingt es ihm nun, dabeizubleiben und Spaß daran zu haben? Auf dem Video ist zu sehen, dass die Erzieherin Max beim Spiel begleitet hat. An einer Stelle hat sie mit freundlicher Stimme gesagt: „Du bist ganz aufgeregt.“ Und Max hat sie glücklich angesehen und „Ja!“ gesagt.
„Dadurch, dass Max Aufmerksamkeit von der Erzieherin fokussiert wird, schafft er es, beim Spiel zu bleiben, genau wie er seine Aufregung aushalten konnte, weil er sein Gefühl mit jemandem teilen konnte“, fasst Stefan Hunfeld zusammen. Mit Filmen und vielen Informationen sind in den vergangen sechs Monaten drei Mitarbeiterinnen des DRK-Kindergartens „Zauberburg“ in Ostbevern und eine Mitarbeiterin der Frühförderung Freckenhorst zu „Marte Meo Practitionern“ ausgebildet worden. Leiter des Kurses war Stefan Hunfeld als Marte-Meo-Therapeut. Er ist zudem Kollegentrainer und Leiter der Frühförderung des Caritasverbands im Kreisdekanat Warendorf. Er hat die Mitarbeiterinnen unter anderem darin geschult, mithilfe von Videoaufnahmen die Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern zu verbessern. „Marte Meo“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „aus eigener Kraft“. Die Begründerin der Methode, Maria Aarts, bringt es auf den Punkt: „Zeigen, nicht erklären.“
Am Mittwoch nun wurde das international anerkannte Zertifikat an Özgül Göwert, Susan Pauck, Ursula Schulze Pröbsting und Petra Ohlbrock übergeben. Die Leiterin der Einrichtung Petra Ohlbrock erklärt „Mit Marte Meo haben wir Kenntnisse über Konzepte kindlicher Entwicklung erworben und können noch unterstützender mit den Kindern arbeiten. Zunächst war es schon seltsam, sich in der beruflichen Praxis zu filmen und die Aufnahmen mit den Kolleginnen und dem Trainer zu reflektieren, aber der Gewinn für die Arbeit ist immens und wir haben uns schnell daran gewöhnt.“
Fachtagung auf Hof Lohmann
Die Kinder störten die Videoaufzeichnungen nicht, wissen die Erzieherinnen. „Und für die Eltern ist es auch toll“, berichtete Özgül Göwert. Zum Beispiel sei es nicht immer einfach, Eltern in Erziehungsfragen Tipps zu geben. Viele fühlten sich kritisiert und da helfe es, an Hand von Videos konkret sein zu können und das „groß zu machen“, was gut läuft und gefördert werden sollte. Wenn die Eltern von Max sehen, wie gut er es mittlerweile schafft, sich auf eine Sache zu konzentrieren und seine Gefühle auszuhalten, sind sie offen für Veränderungsmöglichkeiten. Durch die Videos werden wir mit vielen Erfolgserlebnissen und schönen Momenten belohnt, die sonst im Alltag untergehen würden“ sagt Özgül Göwert.
Eine gute Gelegenheit, mehr über diese Arbeit und ihre Möglichkeiten zu erfahren ist der „Marte Meo-Fachtag“ am 18. September auf dem Hof Lohmann. Unter dem Titel „Entwicklung aktivieren – Bindung ermöglichen. Wege damit wir uns besser verstehen“ mit Maria Aarts und Dr. Michael Hipp wird aufgezeigt, wie man mit Hilfe von Videos auch in schwierigen, komplexen Situationen Fortschritte und Entwicklungen erkennen und fördern kann.
Mehr Informationen erhalten Interessierte bei der Frühförderung unter: 02581/7896810.